Das Volk der Maa - Artikel von Marie-France Planeix
Der folgende Artikel ist die autorisierte Übersetzung eines Artikels von Marie-France Planeix, die eine Doktorarbeit über die Maasai geschrieben hat. Sie hat lange Jahre bei den Maasai gelebt.
Wer die Maasai unterstützen mag, kann dies hier tun.
Der Originalartikel findet sich hier: peuple-de-maa.over-blog.com
Ich hatte bereits das Gerücht gehört, welches schon seit einigen Jahren kursierte, und demzufolge der Lebensraum der Maasai im Norden von Tansania immer weiter reduziert würde zu Gunsten eines übermäßigen und immer luxuriöseren Tourismus mit der Öffnung von Jagdgebieten, die von den Monarchien der Golfregion aufgekauft wurden.Dieses Gerücht ist leider zur Gewissheit geworden, und darüber hinaus hat die Regierung von Präsident Kikwete entschieden, die Maasai von ihren Ländern zu vertreiben, um den Vereinigten Arabischen Emiraten zu ermöglichen, diese Gebiete zu erweitern, die nach ihrem Gusto und für die reichen Kunden nicht mehr ausreichen, um dort auf die Jagd nach großen Raubtieren, darunter vom Aussterben bedrohten Arten wie den Leoparden, zu gehen.
Dies geschieht rund um den berühmten Ngorongoro-Krater und in der Gegend des Serengeti Nationalparks, wo ernsthaft darüber nachgedacht wird, eine große Teerstraße zu bauen - ein wahres Desaster, da nicht nur eine wunderbare Landschaft zerstört würde, sondern auch die traditionellen Wege der weltweit einzigen verbliebenen großen Tierwanderung zerschnitten würden.
Die Regierung will vor Jahresende 65.000 Masai Nomaden aus diesem Gebiet vertreiben
Schon 1959 wurden die Maasai-Hirten von der britischen Kolonialregierung aus den riesigen Ebenen der Serengeti (unendliche Ebene, in der Sprache der Maa) vertrieben, um dort einen Park für Tiere und Touristen zu schaffen. Aber nach einem Abkommen siedelten die Maasai in und um den Ngorogorokrater an, wo es Weideland und ausreichend Wasser gab und darüber hinaus einen reichen Wildtierbestand, der im Laufe der Migrationen sesshaft geworden war, insbesondere die schwarzen Nashörner, die wegen Wilderei vom Aussterben bedroht sind. Dieses Gebiet, von unvergleichbarer Schönheit, befindet sich in der Liste der Weltnaturerben der Unesco.
Neue Parks und Reservate wurden nach der Unabhängigkeit (1961) geschaffen und seit den 1970er Jahren wollte die Regierung von Julius Nyerere die Maasai aus dem Krater vertreiben. Ich kannte die letzten drei dort verbliebenen Dörfer sehr gut – es ist dort, wo ich meine erste Nacht in einem Maasai-Dorf verbracht habe, der Beginn einer langen Liebesgeschichte zwischen diesem Volk und mir, das war 1972.
1973 wurden diese Dörfer mit Gewalt von der Armee geräumt, unter dem Vorwand, die Tierwelt und den Tourismus zu bewahren, welche von den damaligen Behörden als unvereinbar mit der Anwesenheit der Maasai erachtet wurden. Heute besuchen jährlich fast eine Million Touristen diese Gegend und die Maasai haben nicht mehr das Recht, dort Schmuck zu verkaufen oder für sie zu tanzen, denn sie finden noch nicht einmal Arbeit bei der Parkverwaltung.
Es ist die Gegend von Loliondo und Ololosokwan, die der Bevölkerung zugewiesen wurde, sowie nahe der kenianischen Grenze in Oldnyo Sambu, wo über tausend Menschen sich niederlassen mussten. Und es wird auch diese Region sein, wo über 4000 Familien, die bereits einen Brief zur Zwangsräumung erhalten haben, hingeschickt werden. Dies ist eine sehr einsame Gegend, die sich zwischen den Nationalparks und Gebieten ausländischer Investoren befindet, unter anderem der Konzession von Dubai. Ohne Unterlass zurückgedrängt, sind die Maasai in Gegenden zurückgezogen, wo Trockenheit und Wassermangel vorherrschen, dabei hängt das Leben der Maasai von den Herden ab und sie wandern abhängig vom Weideland und Wasserlöchern.
Seit 1992 haben reiche Bewohner der Emirates das Recht, Tiere in eigenen Reservaten zu jagen, aber da sie das Gebiet für zu klein halten (4000 km²), wollen sie ihn vergrößern, indem sie – natürlich - auf Gegenden übergreifen, die von Maasai bewohnt werden; das Ergebnis: acht Dörfer werden verbrannt, 3000 Menschen hinterlassen ohne Wohnraum, ohne Nahrung, ohne Wasser.
Dabei sind die Afrikaner die einzigen, die nicht die großen Raubtiere der Welt dezimiert haben, im Gegensatz zu den Amerikanern und Australiern.
Die Einheimischen nennen diese Gegend „Arabiya“, ein Symbol! Die Gegend ist für Journalisten und Hilfsorganisationen gesperrt und es sind die arabischen Manager, die den Maasai Hirten vorschreiben, wohin sie die Herden führen müssen. Die tansanische Polizei wacht notfalls mit Gewalt darüber, dass diese Anweisungen befolgt werden.
Tansania befindet sich auf dem 102. Rang der Korruptionsliste der 180 Länder und hat im Jahr 2002 102 Millionen Dollar aus den Jagdlizenzen eingenommen, trotzdem gehört die einheimische Bevölkerung zu den Ärmsten von Ostafrika.
Die Maasai haben immer gestört, zweifelsohne weil sie ihrer traditionellen Struktur treu geblieben sind. Es hat immer einen großen Medienrummel um sie gegeben, und die unbestrittene Anziehung, die sie wegen ihrer Schönheit und ihrer Einzigartigkeit ausüben, hat sie in die Medien der ganzen Welt gebracht, wo man gerne einem Billigexotismus fröhnt.
Dennoch hat dieses Volk seit der Ankunft der britischen Kolonisten Widerstand geleistet und hat nie aufgehört, sich zu seinem Hirtenlebensstil zu bekennen und nicht davon abzulassen gegen alle Bemühungen der Regierungen (kenianisch wie tansanisch) sie zu „modernisieren“.
Das Fehlen einer zentralen Verwaltung sowie die Organisation der Gesellschaft in Altersklassen zeichnen diese außergewöhnliche Gemeinschaft aus. Sie scheint unter anderem erstaunlich gleichmachend, zumindest in ihrem Fundament, denn es gibt keine sozialen Schichten, kein System der Befehlsgewalt und ihr gesamtes Leben hängt von ihrem Vieh ab und ruht auf dem Konsens bei der Entscheidungsfindung.
Das Vieh ist mit dem Gras verbunden, das Gras mit der Erde, und die Erde, wie überall sonst, mit der Mutter. Nach ihrer Sage von Gott gewählt, um die Herden zu erhalten und fortzuführen, ist es ihre Wahl, dass die Maasai Hirten bleiben, und diese Abhängigkeitsbeziehung wirkt sich auf das ganze Leben aus.
Es erstaunt nicht, dass die Maasai sich feindselig gegen die Gebote der Modernisierung stellen. Seit Jahrhunderten pflegen sie einen eigenen Lebensstil, der ihnen gefällt und der sie darüber hinaus, so scheint es bis zum heutigen Tag, glücklich macht.
Ich wusste um ihre Gefährdung, man hat niemals aufgehört, ihre Gebiete und ihre traditionellen Handlungen zu beschränken. Die erzwungene Organisation in Gemeinschaftsviehfarmen, in die sich die Familienoberhäupter einschreiben mussten, hat sie gezwungen, sesshaft zu werden. Aber wenn die Dinge sich ändern sollen, muss das von den Maasai selbst ausgehen, nur dürfen wir dabei nicht vergessen, dass dieses Volk in der mündlichen Überlieferung lebt und dass es sehr selten die Gelegenheit hat, auszudrücken, was ihm angetan wird. Man muss ihm helfen und diese katastrophalen Nachrichten ins Licht der Medien rücken, um die Zerstörung dieses Gebiets zu verhindern. Einige von ihnen gehen soweit, dass sie lieber sterben würden als entwurzelt zu werden.
In einer Zeit, wo das Interesse an „eingeborenen Völkern“wächst und zahlreiche Menschen und Organisationen sich bemühen, ihnen bei der Wahrung ihrer Identität zu helfen, eilt es, einem Volk eine wirkungsvolle Unterstützung zukommen zu lassen, das vom Aussterben bedroht ist wegen der Gier derer, die nicht nur sein häufig falsches Bild missbrauchen sondern auch seine Gebiete ausnutzen und eine weltweit einmalige Umwelt zerstören. Man hätte hoffen können, dass Afrika, Kontinent ungezählter Dramen, im Herzen trägt, was es so einzigartig macht, aber auch hier drohen Geld und die herrschenden Mächte das Recht gegen jeglichen Verstand auszuüben.
Darum, ja, empören wir uns und tun wir alles, was in unserer Macht steht, damit die Regierung von ihrer Entscheidung abrückt!
Marie-France Planeix
Autorin einer Doktorarbeit über die Maasai unter der Leitung von G.Balandier
April 2013